domingo, 18 de dezembro de 2011

Das Ende einer Freundschaft - Heiner Müller - Germania 3 Gespenster am Toten Mann - Panzerschlacht






















PANZERSCHLACHT

Kreml. Stalin trinkt.


STALIN
Genosse, warum trinkst du in der Nacht.
Was fürchtest du, wo deine Macht Gesetz ist.
Ich weiss von jedem etwas, das ihn umbringt.
In meinem Rücken lebt kein Feind mehr, wie.
Die Toten haben einen leichten Schlaf
Sie konspirieren in den Fundamenten
Und ihre Träume sind es, die uns würgen.
Trotzki der Jude, der den Banquo spielt
Das Beil im Schädel. Es ist ein Stuhl, sonst nichts.
Warum sich fürchten vor einem leeren Stuhl.
Koba, warum brauchtest du meinen Tod.
Das war Bucharin, der Liebling der Partei.
Ich brauchte ihn zum Feind, er war der Beste.
Brav hat er sie gelernt, seine Lektion
Der Liebling der Partei, zwar auf der Folter.
Zwei Tränen für den besten Feind. Ein Sechstel


Der Erde zuckt in meiner Faust. Und wird
Zerspringen in kein Gott weiss welche Stücke
Wenn mir der Tod die Faust aufbricht zur Unzeit.
Mein Arm ist kurz, wie. Und mein Arm ist länger
Als je ein Arm gewachsen ist in Russland
Und Russland ist das Reich der langen Arme.
Es ist ein Kinderspiel: Papier schlägt Stein.


Kein Mensch wiegt mehr als seine Akte, Tinte
Säuft Blut. Die Remington ersetzt die Mauser
Und jede Akte ist die Heilige Schrift.
Wer zählt die Toten, wenn die Gräber leerstehn.
Nicht eh die Menschheit aufsteht von den Knien
Aus ihrem Blut, das wir vergossen haben
Am letzten Parteitag, werden die Denkmäler bluten.
Was ist, wenn unsre Saat nicht aufgeht, Lenin.
Ich habe dieses Land mit Blut gedüngt,


Mit Menschenleibern eine Industrie
Gestampft in meinen Knochenmühlen, ich
Der grosse Stalin, der Führer der Völker.
Ich bin der Bluthund. Mein Privatbesitz
Sind zwei Paar Stiefel. Immer stirbt nur einer
War deine Rede, wenn dich wer gefragt hat
Nach deinen Leichen. Hast du sie gezählt.


Ich bin dein Tod, ich kann sie nicht mehr zählen.
Weil sie der Boden sind, den wir begehn
Auf unserm Weg in deine lichte Zukunft.
Die Menschheit ist ein trübes Material
Ameisen unterm Stiefel. Wie soll ich
Die träge Masse Russland im Genick
Den neuen Menschen schaffen, wenn der alte
Nicht liquidiert wird, Gestern für dein Morgen.
Das Massengrab geht mit der Zukunft schwanger
Menschen aus neuem Fleisch sind was die Zeit
braucht.
Ich backe sie aus ihrem eignen Blut
Und kein Prometheus kommt mir in die Quere
Am Felsen ist noch Platz im Kaukasus.
Wer bin ich. Tot ist tot. Ich mein Gefängnis
In dem ich eingesperrt bin lebenslang
Und wer kann Stalin töten ausser Stalin.


Sie hassen mich, warten auf meinen Tod
Und keiner wagt ein Wort, feig sind sie alle.
Wenn ich mein Todesurteil unterschreibe
Stalin ist ein Verräter tötet Stalin
Stalin befiehlt es, werden sie gehorchen
Weil keiner mir zu widersprechen wagt.
Oder auch nicht, aus Angst vor einer Falle.
Was flüstert in den Korridoren. Wache.
Verrat ist menschlich. Bin ich noch ein Mensch.
Wen ausser Stalin kann Stalin verraten.
In jedem Menschen steckt ein Hitler, ein
Kapitalist, Kulak und Saboteur.
Ich kann nicht warten, bis er aus der Haut fährt.
Wenn man ihn würgt vielleicht nimmt er Vernunft am
Oder gepeitscht von Hunger, oder Angst
Vor Asien oder Aufstand aus den Kellern.
Ich weiss die Träume die herumgehn, Churchill


In deinem whiskyschwabbenden Gehirn:
Den Teufel treibt man mit dem Teufel aus
Der eine bricht dem andern das Genick
Braun gegen Rot Rot gegen Braun wäscht weiss
Den Leichenteppich aus drei Kontinenten
Auf dem ihr euren letzten Tango tanzt
Wer mich nicht lieben will, der soll mich fürchten
Wir tanzen jeder auf seinem Parkett
Mein Trumpf heisst Hitler, Not kennt kein Gebot.


OFFIZIER
Die Deutschen greifen an, Genosse Stalin.

STALIN
Wache. Reisst ihm die Zunge aus. Er lügt.
Ich hätt es wissen müssen, ich zuerst.
Ein Witz der Adler der dem Geier traut.
Und nackt steh ich vor seinen Divisionen
Kopflos meine Armee. Hätt ich sie nicht
Erschiessen lassen, meine Generäle.


Ich musste sie erschiessen lassen, wie.
Verdacht ist Schuld, Verräter überall
Besser ein Tod zuviel als einen Dolch
Im Rücken. Was für Lärm an meiner Grenze.
Die Deutschen greifen an. Wer sind die Deutschen
Ein Haufen Kleinvieh am Westrand von Asien.
Warum der kalte Schweiss auf meiner Stirn.
Vergessen wer ich bin. Der grosse Stalin.
Ich habe Angst vor meinem eignen Schatten.

(Nacheinander drei Erscheinungen: Lenin, lallend und brüllend nach dem zweiten Gehirnschlag, Trotzki, das Beil des Macbeth noch irn Schädel, im deutschere Panzerturm, Hitler, der eine Rede bellt.)

STALIN (zu Lenin)
Das ist sie, deine deutsche Revolution, von der du
geträumt hast im Oktober. Sie werden deine Leiche
aus dem Mausoleum zerren und an ihre Hunde ver-
füttern. Futter für Hitlers Schäferhund, das bist du,
Lenin, für dein geliebtes deutsches Proletariat.
(zu Trotzki)


Trotzki, der Henker von Kronstadt. Jetzt weisst du,
wo dein Platz ist, Bronstein, mit deiner permanenten
Revolution, deiner Steissgeburt aus dem Wiener
Cafehaus: im deutschen Panzerturm, im Nazitank.
(zu Hitler)
Hitler, mein Freund von gestern. Bruder Hitler.


Verbrennst du meine Dörfer. Das ist gut.
Weil sie dich hassen, werden sie mich lieben.
Deine Blutspur wäscht meinen Namen weiss.
Deine Zeit lang, und länger nicht als meine.
Sieg weiter. Jag deine Panzer in den Schnee
Der sie begraben wird, wenn seine Zeit kommt.
Mein Rücken heisst Asien, meine Wölfe warten
Das haben sie gelernt in meinen Lagern.
Dein Krieg ist ihre Hoffnung auf den Weg
Nach Deutschland in deiner Panzerspur.Du hast
Die Schleusen aufgesprengt, jetzt kommt die Flut.
Sie wird zusammenschlagen über dir
Zuerst. Der letzte Sieger ist der Tod.
Im Rattenkäfig wirst du Moskau sehn
Eh dein und meine Toten auferstehn.

Heiner Müller Germania 3 - Gespenster am Toten Mann. Kiepenheuer & Witsch, 1996, S.9-12.



Dennis Junge - Stalin - Germania 3 - Heiner Müller
Auszug aus dem Indentantenvorsprechen 2009 der Universität Mozarteum. Absolventen 2009/2010. Erarbeitet mit Aureliusz Smigiel. Rolle - Stalin, Stück - Germania 3 von Heiner Müller

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