Kaum ein deutscher Historiker hat mehr geschrieben als der heute 83-jährige Ernst Nolte. Und keiner ist so umstritten wie er, der im Juni 1986 mit seinem Artikel „Vergangenheit, die nicht vergehen will“ den Historikerstreit auslöste. Darin stellte Nolte den „roten Terror“ des revolutionären Russlands und die Verbrechen der Nazis in einen ursächlichen Zusammenhang und fragte wörtlich: „War nicht der Archipel Gulag ursprünglicher als Auschwitz? War nicht der Klassenmord der Bolschewiki das logische und faktische Prius des Rassenmords der Nationalsozialisten?“
Der Frankfurter Soziologe Jürgen Habermas warf Nolte darauf hin vor, von der NS-Zeit ein revisionistisches Geschichtsbild zu entwerfen und die nationalsozialistischen Gräueltaten zu relativieren.
„In diesem Kontext des Schreckens erscheint dann die Judenvernichtung nur als das bedauerliche Ergebnis einer immerhin verständlichen Reaktion auf das, was Hitler als Vernichtungsdrohung empfinden musste“, schrieb Habermas in der „ZEIT“.
Die Diskussion, die daraufhin entbrannte, war von ungewöhnlicher Dimension und Heftigkeit, in rund 1000 Zeitungsartikeln prallten die Meinungen aufeinander. Historiker und Intellektuelle standen sich in zwei Positionen gegenüber, von denen keine der anderen auch nur das geringste Zugeständnis machte. Ging es doch darum, der ernsthaftesten Aufgabe dieser Epoche gerecht zu werden: der Darstellung und Bewertung der deutschen Vergangenheit von 1933 bis 1945. Die eine Position: Auschwitz ist der Ausdruck für ein singuläres Verbrechen,
dass durch keine Historisierung eingeebnet, das heißt relativiert werden darf. Die andere Position, in der Formulierung von Joachim Fest:
„Die anderen beugen sich der Einsicht, dass der Genozid, den Hitler ins Werk setzte, nicht der erste war und nicht der letzte; dass man den Opfern hier wie dort Erinnerung schulde und damit leben müsse.“
Ernst Nolte wird seitdem von der großen Mehrheit seiner Fachkollegen in Deutschland entschieden abgelehnt. Unerschüttert besteht er darauf: Es sei seine Pflicht als Historiker, ursächlich verstehbar zu machen, wie es zu Auschwitz habe kommen können; eine Relativierung oder gar Rechtfertigung beabsichtige er nicht. Der Historiker hält Vorträge in Italien und Frankreich, in Deutschland spricht er nur noch in geschlossenen Veranstaltungen –
„gestochen scharf, verbockt und anregend“, wie der Historiker Götz Aly aus Anlass von Noltes achtzigstem Geburtstag schrieb.
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