Um über die Nachrichten von Sesenheim meine Gedanken kürzlich auszusprechen, muß ich mich eines allgemein physischen, im besondern aber aus der Entoptik hergenommenen Symbols bedienen; es wird hier von wiederholten Spiegelungen die Rede sein.
1) Ein jugendlich-seliges Wahnleben spiegelt sich un- bewußt-eindrücklich in dem Jüngling ab.
2) Das lange Zeit fortgehegte, auch wohl erneuerte Bild wogt immer lieblich und freundlich hin und her, viele Jahre im Innern.
3) Das liebevoll früh Gewonnene, lang Erhaltene wird endlich in lebhafter Erinnerung nach außen ausgesprochen und abermals abgespiegelt.
4) Dieses Nachbild strahlt nach allen Seiten in die Welt aus, und ein schönes, edles Gemüt mag an dieser Erscheinung, als wäre sie Wirklichkeit, sich entzücken und empfängt davon einen tiefen Eindruck.
5) Hieraus entfaltet sich ein Trieb, alles, was von Vergangenheit noch herauszuzaubern wäre, zu verwirklichen.
6) Die Sehnsucht wächst, und um sie zu befriedigen, wird es unumgänglich nötig, an Ort und Stelle zu gelangen, um sich die Örtlichkeit wenigstens anzueignen.
7) Hier trifft sich der glückliche Fall, daß an der gefeierten Stelle ein teilnehmender, unterrichteter Mann gefunden wird, in welchem das Bild sich gleichfalls eingedrückt hat.
8) Hier entsteht nun in der gewissermaßen verödeten Lokalität die Möglichkeit, ein Wahrhaftes wiederherzustellen, aus Trümmern von Dasein und Überlieferung sich eine zweite Gegenwart zu verschaffen und Friederiken von ehmals in ihrer ganzen Liebenswürdigkeit zu lieben.
9) So kann sie nun, ungeachtet alles irdischen Dazwi- schentretens, sich auch wieder in der Seele des alten Liebhabers nochmals abspiegeln und demselben eine holde, werte, belebende Gegenwart lieblich erneuern.
Bedenkt man nun, daß wiederholte sittliche Spiegelungen das Vergangene nicht allein lebendig erhalten, sondern sogar zu einem höheren Leben emporsteigern, so wird man der entoptischen Erscheinungen gedenken, welche gleichfalls von Spiegel zu Spiegel nicht etwa verbleichen, sondern sich erst recht entzünden, und man wird ein Symbol gewinnen dessen, was in der Geschichte der Künste und Wissenschaften, der Kirche, auch wohl der politischen Welt sich mehrmals wiederholt hat und noch täglich wiederholt.
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