sábado, 1 de junho de 2013

Kafka in Prag - stehender Sturmlauf. Eine virtuelle Reise in Kafkas Welt

Mit dieser CD-Rom kommt ein Projekt zum Abschluß, das zweieinhalb Jahre Entwicklungs­zeit beansprucht hat: unser kompliziertestes, gefährdetstes und aufwendigstes. Zugleich ist es unser ambitioniertestes.

In den letzten zwei Jahren ist die elektronische Branche kräftig durchgemischt worden. Firmen sind erstanden und im Staub versunken. Ihren hektischen technischen Zyklen entsprechend hat unsere Branche auch diesen Teil ihrer Ge­schichte sehr rasch und kompakt abgewickelt. An „Stehender Sturmlauf ‘ ließe sich dies exemplarisch schildern. Diese Geschichte würde ich erzählen, wenn Kafka sie nicht schon nie­dergeschrieben hätte. Sie finden die Tonauf­nahme unter „Volksauflauf der Schädlinge“.
Heute sind sich alle einig: der CD-Rom- Nutzer will Nutzen. Wenn er den nicht vorfmdet, schaltet er den PC aus (und den Fernseher ein oder greift zum Buch). „Stehen­der Sturmlauf ‘ ist so überflüssig und nützlich wie ein Roman, diese CD-Rom ist daher (mit nietzscheanischem Humor:) für alle und keinen.

Ernsthaft: 40% aller Computernutzer lesen täg­lich, nur 6% greifen nie zu einem Buch. 55% der Computernutzer besuchen einmal im Monat eine Buchhandlung. Man kann daher nicht davon ausgehen, daß Computernutzer an kulturellen und literarischen Themen desinter­essiert wären. Ein zwingendes Motiv, sich mit „Stehender Sturmlauf ‘ zu beschäftigen, läßt sich nur im nachhinein angeben: wenn Ihnen diese CD-Rom gefallen hat. Dann haben Sie vielleicht auch Kafka ein wenig mehr verstan­den. Und sind ein besserer Mensch geworden, der nie wieder das aus Kafkas Namen abgelei­tete Adjektiv benutzen wird, um etwas schön Geheimnisvolles zu bezeichnen.

Unsere ersten Projekte, „Weiße Rose“ z.B., immer versucht, den Buchkern multimedial einzubetten. Ich nenne hier als Beispiel „Tho­mas Mann, Rollende Sphären“: Eine sog. Pan­oramagraphik, auf der Leben und Werk von Thomas Mann aufgebracht sind, ist das zentrale Steuerungselement. Auf ihr bewegt sich der Benutzer, flaniert, wie wir uns das vorstellen möchten, durch das Material. Diese Graphik umhüllt und erschließt einen Buchkern von gut dreitausend Seiten.

Wir haben den Transfer von Themen in das Multimediale immer alsVerräumlichung begriffen: als Topographisierung. Man sucht eine räumliche Struktur, in die sich das Thema auflösen läßt. Räumliche Struktur reflektiert eben die fundamentalen Orientierungbedürf­nisse eines Benutzers, die allesamt um Fragen kreisen: Wie komme ich da rein? Raus? Hoch? Runter? Mit anderen Worten: eine räumliche Metapher fächert den Stoff auf. Bei Thomas Mann ist dies eben die Panoramagraphik.

Aller­dings muß dies immer ein spezifisches Mittel bleiben:Thomas Mann war ein repräsentativer Schriftsteller. Die Stationen seines Lebens und Werks sind auf exemplarische Art und Weise mit dem historischen Hintergrund verwoben. Weltkrieg, amerikanisches Exil, Thomas Mann beginnt den Doktor Faustus - sowas läßt sich sehr gut auf eine chronologisch stukturierte Panoramagraphik aufbringen.

Aber bei Kafka funktioniert das nicht: Kafka hat Prag so gut wie nie verlassen. Kafkas Bedeutung ist eine posthume. Wir mußten hier eine ganz andere Form suchen: wir haben Prag gewählt. Kafka hat in Prag ausgedehnte Spaziergänge unter­nommen. Auf diesen Spaziergängen hat er gewissermaßen Wort für Wort seine Texte er­laufen.

Die Grundidee war nun einfach, nach der Art eines Spaziergangs die imaginäre Welt seiner Texte in Parcours zu entfalten, auf die der Benutzer geschickt wird. Dabei ging es nicht darum, die Entstehung dieser Texte nach­vollziehen zu können, sondern ihnen eine Position in einem räumlichen System zuzuwei­sen, das man - ich verwendediesen hochtraben­den Begriff nur der Deutlichkeit halber: als Kafkas Welt bezeichnen könnte.

Aus Kafkas Werk (nur dort gewinnt jene Welt Gestalt) hat unser Autor Heribert Kuhn die räumlichen Grundmuster herausgearbeitet, Zonen, die einander wie konzentrische Kreise umschließen. Zu Hause am Schreibtisch, der beengteste Zustand - die erste Zone, hinaus auf Gasse, durch Prag spazieren - die zweite Zone, Anlauf nehmen in imaginäre Weiten: Auf dem Lande, Steppe, Kolonie. Nur die beiden ersten Zonen bezeichnen auch so etwas wie Lebenswelt, mit den übrigen drei ergänzen sie sich zu dem paradoxen Bemühen, das Kafka selbst als stehenden Sturmlauf bezeichnet hat: energisch wegzustreben, ohne vorwärtszukom­men.

Die konzentrischen Kreise stehen daher ebenso sehr für eine Bewegungsform: an ein Zentrum angebunden zu bleiben, so daß jedes Wegstreben ein Umkreisen wird. Daraus bezie­hen wir die Berechtigung des Untertitels „Kafka in Prag“. Im eben geschilderten Sinne liegt unserer Produktion eine sehr strenge, aus Kafkas Werk gewonnene Struktur zugrunde, die - so hoffen wir - nichts Zufälliges hat. Das war die Arbeit des Autors. Bei der Frage der Visualisierung will ich nochmal kurz ins Grundsätzliche gehen: Die Konstruktion von virtuellen Räumen und dreidimensionalen Objekten steht bei den elektronischen Medien im Zentrum des formal-ästhethischen Bemühens.

Wahrscheinlich weil erst dann Welt und Erfahrung so simuliert werden können, daß der Übertritt in diese Sphäre dem Benut­zer lohnenswert erscheint. Nur was ist das Resultat dieser Bemühungen im Moment? Auf CD-Roms die ewig gleichen, unendlich lang­weiligen, säulengesäumten Gangfluchten. Als hätte die Computergraphik mit einigen hun­dert Jahren Verspätung nun auch die Zentral­perspektive endeckt! Die Konsequenz fiir uns und im speziellen das Kafkaprojekt ist es gewe­sen, denVersuch zu wagen, die Formensprache der bildenden Kunst miteinzubeziehen.

Die bildende Kunst beschäftigt sich schon immer mit dem Problem, den Raum darzustellen, die Computergraphik ist hier nicht voraus, im Gegenteil, sie muß dort lernen. Konzept und Vorstellungen unseres Autors sind daher von einer analog arbeitenden Künstlergruppe, dem King Kong Kunstkabinett (Walter Amann, Wolfgang Schikora, Ulrich Zierold) realisiert worden: In Bilder, Collagen und Tischmodel­len, die erst in einem zweiten Schritt digitali­siert worden sind: photographiert und gescannt.

Dieses Bildmaterial für die CD-Rom zu bear­beiten und einzurichten, aus ganz unterschied lichen Rohmaterialien ein fertiges Bild zu machen, das war Aufgabe unserer Computer­graphikerin: Silvia Miret i Soler.

Um Interaktion und Navigation angemessen realisieren zu können, haben wir KP Ludwig John, ein Mitglied der Künstlergruppe Vetera­nen, hinzugezogen.



Softwareentwickler und Integratoren leisten das übrige, und das ist viel! Ungerechterweise wird ihre Arbeit erst dann so richtig deutlich, wenn etwas nicht funktioniert. Klaus Mühl­berger hat die Softwaremodule erstellt. Eva Kappel hat auf dieser Grundlage die Materia­lien zusammengefugt, eingebunden und in Abläufe gebracht. Darüber hinaus hat sie das Projekt organisiert, hat aus jeder hochfliegen­den Idee eine technische Essenz herausgeholt, die ihr Chancen auf Realisierbarkeit zu bieten schien. Unterstützt worden ist Eva Kappel vor allem von Martin Hornsteiner. Mitgewirkt haben auch Meike Düppers, Engelke Schenck und Henry Wilhelm.

Auf Text als Text haben wir gänzlich verzichtet, allerdings haben wir einen repräsentativen Querschnitt durch Kafkas Werk lesen lassen, genau jenen, den der Benutzer beim Durchlau­fen des Parcours entdecken soll. Sprecher ist Rufus Beck. Weiterhin hat Heribert Kuhn historisch-biografische Anmerkungen zu Kafka verfaßt, die chronologisch geordnet jeden Interessierten mit dem nötigen Rüstzeug aus­statten, in die CD-Rom einzutauchen. Diese Texte wurden von Alexandra Maetz gespro­chen. Die Tonproduktion hat unter der Leitung von Martina Boette-Sonner gestanden, für die Tontechnik war Detlef Fischer verantwortlich.

Soweit zu unserem Projekt. So glücklich ich darüber bin, daß es gelungen ist, ein solches Kunstprojekt unter den gegenwärtigen Bedin­gungen realisieren zu können, so deprimierend empfinde ich die Tatsache, wenn dies das viel­leicht letzte Projekt seiner Art, in diesem Umfang bleiben müßte. Das aber ist noch nicht ausgemacht: Sprich, König Kunde! Antworte, Markt! Was höre ich? Gerichtet? Gerettet?

Franz-Maria Sonner
1997


Kafka in Prag - stehender Sturmlauf. Eine virtuelle Reise in Kafkas Welt. 45-minütige Einführung in Kafkas Leben und Werk. Über 4 Stunden Werklesungen von Rufus Beck. Über 50 Großpanoramen und Originalbilder. Eine Driftwood-Produktion der Krieger, Zander und Partner GmbH. CD-ROM für PC im Pappschuber.
(ISBN 10: 3932992059 / ISBN 13: 9783932992056 )
Kuhn, Heribert und King-Kong-Kunstkabinett



Jüdisches Prag

http://stories.czechtourism.com/de/story/prag/judisches-prag.aspx?utm_source=google&utm_medium=cpc&utm_campaign=rebranding_Nemecko&utm_content=prg_Praha_historicka#golem

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